Mann mit Glatze geht einsam die Straße lang
Reichweite

Wenn Sie nicht auf Pornhub werben, warum werben Sie dann auf Facebook?

Ist Facebook noch das richtige Umfeld für mein Business? Wie lange noch bleibt Facebook der Platzhirsch unter den Social Media-Kanälen?

Werben und posten Sie auch schon auf Pornhub oder Youporn? Die Klicks sind billig und die Besucher willig. Pornhub (Platz 28) und Youporn (Platz 79) gehören zu den populärsten Seiten im Internet. Pro-Tipp: In Deutschland ist xhamster.com die beliebteste Pornoseite (Platz 21). Die Nutzungs- und die Nutzerzahlen brauchen sich hinter Facebook nicht zu verstecken1.

Facebook verliert Image und Leistung. Lohnt sich Facebook noch? Klick um zu Tweeten
Diagramm Reichweite Facebook im Vergleich zu Pornoseiten
Facebook im Vergleich zu Pornoseiten. Daten: alexa.com

 

Ach so, Sie achten darauf, in welchem Umfeld Ihre Posts und Werbung erscheinen und das Rotlicht-Milieu passt nicht so ganz zu Ihren Botschaften. Aber bei Facebook, da sind Sie noch voll dabei. Unbesehen? Wissen Sie eigentlich, wo und wofür Facebook heute steht?

Facebook hat seinen Zenit überschritten

Im Bereich Social Media, in Sachen Reichweite galt Facebook bisher als das Maß aller Dinge. Doch die Tage von Facebook sind gezählt. Wer sich heute noch auf Facebook als Kommunikationskanal einlässt oder gar verlässt, sollte sich genau überlegen, was er da tut. Es gibt eine Reihe guter Gründe, Facebook als Kanal zur Ausspielung der eigenen, geschäftlichen Kommunikation sehr kritisch zu überprüfen.

Facebook – das hat einen zunehmend negativen Beigeschmack

Spätestens zur Bundestagswahl 2017 offenbarten die sogenannten Sozialen Medien eine unfassbare Verrohung der (politischen) Kommunikation. Fake News, Hate Speech und Filterblase haben im täglichen Sprachgebrauch ihren festen Platz bekommen. Und immer im gleichen Atemzug: Facebook.

Wie die Algorithmen von Facebook Wahrnehmung und Kommunikation beeinflussen, ist Thema etlicher Veröffentlichungen.  Inzwischen werden auch die Dark Ads thematisiert. Der Tenor ist kritisch.

Wer sich in Facebook begibt, kommt darin um. Klick um zu Tweeten

Facebook hat einen Rechtsdrall

Recherchen zeigen, dass bei Facebook bevorzugt Seiten und Gruppen vorgeschlagen werden, die politisch eher zum rechten Rand gehören. Das ist zwar keine böse Absicht von Facebook, aber wer sich dort präsentiert, erscheint in einem negativ besetzten Umfeld. Verantwortlich sind die Algorithmen. Oder anders formuliert: Rechte Gruppierungen und ihre Anhänger verhalten sich mit ihren Postings und Likes geradezu maßgeschneidert für die Algorithmen. Andererseits machen gerade politisch problematische Gruppierungen ausgerechnet Facebook zum Hauptkanal für ihre Botschaften.

Als Mediaplanung noch etwas mit Qualität zu tun hatte

Mein berufliches Leben dreht sich seit Beginn in den 90er Jahren um die Marketing-Kommunikation. In der Mediaplanung war damals die Beurteilung des Images einer Zeitung oder Zeitschrift fester Bestandteil bei der Auswahl. Zahlen zu Zielgruppen und Reichweiten waren nur der Einstieg in die Planung. Für etliche Werbetreibende war es schlicht nicht vorstellbar, z. B. in Pardon, Playboy oder den Sankt Pauli Nachrichten Anzeigen zu schalten. Einfach, weil das Image des Mediums nicht zum eigenen Angebotes passt und deren Image nicht übertragen werden soll.

Wissen Sie, in welchem Umfeld Ihre Werbung und Posts in Facebook erscheinen? Klick um zu Tweeten

Anders gesagt: Sie haben wahrscheinlich gute Gründe, Ihre Werbung nicht auf pornhub.com, youporn.com oder xhamster.com zu schalten. In Sachen Reichweite zumindest bei Männern ein unschlagbar attraktiver Kanal 😉 Aber bei Facebook machen Sie sich so überhaupt keinen Kopf, in welchem Umfeld Ihre Posts und Werbung erscheint?

Diese Sorgfalt und Sensibilität wird heute sträflich vernachlässigt. Im Online-Marketing schielt man nur noch auf die großen Zahlen und das die Klickkosten möglichst klein sind. Wenn die Werbeschaltung dann noch weitgehend automatisiert wird, ist der Imageschaden vorprogrammiert. Das kann plötzlich und böse nach hinten losgehen, wie die Kampagne #keinGeldfürRechts gezeigt hat.

Nicht immer sind die Rechten schuld

So segensreich die Automatisierung in vielen Bereichen ist, sie hat auch ihre Schattenseiten. Fehlgeleitete Werbeplatzierung bringen manchmal Aufmerksamkeit durch unfreiwillige Komik, manchmal aber auch durch einen Shitstorm. Den Spott und Schaden hat im jeden Fall der Werbetreibende. Mehr dazu bei HubSpot.

Mir geht es hier nicht um den politischen Aspekt. Wer kein Problem damit hat, dass sein Angebot in einem Atemzug mit z. B. Breitbart genannt wird, der soll gerne dort werben. Für den Erfolg der eigenen Botschaft ist schlicht wichtig, dass man auch das Umfeld kennt und kontrolliert, in dem sie erscheint. Das gilt in zunehmendem Maße ganz besonders auch für Facebook.

Die Reichweiten und Engagement Rate auf Facebook sinkt. Dramatisch.

Buzzsumo hat über 880 Millionen Facebook Posts von Marken und Medien ausgewertet. Die Engagement Rate ist seit Januar 2017 um durchschnittlich 20 % gefallen.

Reichweiten und Engagement bei Facebook sinken dramatisch. Zeit für neue Wege. Klick um zu Tweeten

Ursachen für diese Leistungsverluste sind Facebooks Änderungen am Algorithmus und die explosionsartige Vermehrung der Postings. Auch die vermehrten Einblendung von Facebook Anzeigen im Stream, verbrauchen natürlich Raum in der Timeline. Facebooks Einnahmen aus Anzeigen haben im zweiten Quartal 2017 um 47 % gegenüber dem Q2 in 2016 zugenommen. Ein Schelm, der dabei Böses denkt.

Facebook erreicht 142 % einer Zielgruppe. Wie bitte?

Das australische Fachmagazin AdNews hat die Reichweitenangaben bei Facebook mit den tatsächlichen Bevölkerungszahlen verglichen. Facebook gibt an, 12 Millionen Nutzer der Altersgruppe 20-29 Jahre in Deutschland zu erreichen. Schönheitsfehler: In Deutschland gibt es nur 9,2 Millionen Menschen in dieser Altersgruppe! Wenn ich bedenke, dass die tatsächliche Reichweite realistisch immer kleiner 100 % sein muss, klaffen hier Wunsch und Wirklichkeit dramatisch auseinander. Dabei ist das Thema aktive Nutzer und “Karteileichen” noch gar nicht angesprochen!

Bei Facebook erreichen Sie mehr als 100 % Ihrer Zielgruppe. Wie bitte? Klick um zu Tweeten

Bei Heise online hat Facebook dazu eine pflaumenweiche Stellungnahme abgegeben:

Geschätzte Reichweiten in unserem Werbeanzeigen-Manager sind nicht darauf ausgelegt, Bevölkerungsdaten zu entsprechen. Sie spiegeln Nutzerverhalten, Nutzerdemographie, Standortdaten und weitere Faktoren wieder.

Kinder argumentieren so, wenn sie mit den Fingern in der Keksdose erwischt werden. Facebook redet die eigene Statistik genau so schön, wie die Autoindustrie ihre Abgaswerte.

Facebook wird seiner unternehmerischen Verantwortung nicht gerecht

Wie Facebook zu einem Tummelplatz für Kriminelle geworden ist, beschreibt Marie-Astrid Langer in der NZZ. Der Social Media-Moloch verhält sich wie jemand, der den Kindern die kleinen Schnapsfläschen aus der Minibar zum Spielen in den Kaufmannsladen stellt. Facebook heute ist ein Produkt aus hemmungslosem Profitstreben und blindem Glauben an Algorithmen. Sascha Pallenberg:

Ohne es zu merken, haben sich viele Marken in eine Geiselhaft der sozialen Netzwerke begeben. Wenn Facebook seinen Algorithmus ändert, müssen Unternehmen das hinnehmen. Facebook braucht sich nicht um die Belange der Unternehmen zu kümmern, ganz nach der Devise: „Wenn es dir nicht passt, geh doch zurück zu StudiVZ.“

Ein weiterer Experte hinterfragt wohltuend die Zahlengläubigkeit der Werbetreibenden. Provozierend fragt Rob Vegas “3000 Euro für 72 Leser?”:

Von den 30.000 Fans auf Facebook werden wohl nur 5000 den Beitrag überhaupt in die Timeline gespült bekommen. Die organische Reichweite einer Facebook-Seite wird nicht beachtet. Wie aktiv ist diese Community? Gibt es nur einen Like bei 18.000 Fans und drei Link-Klicks? Will auch niemand so wirklich wissen.

Vielleicht sind Mark Zuckerberg respektive Facebook auch einfach intellektuell und moralisch überfordert mit der Verantwortung. Die Schilderung der Virtual Reality-Präsentation in der ZEIT löst bei mir Fremdschämen aus: “High Five im Katastrophengebiet”.

Wer sich in seiner Markenkommunikation auf Facebook verlässt, spielt Vabanque. Klick um zu Tweeten

Auch das Römische Reich ist eines Tages untergegangen

Erinnern Sie sich noch an den Hype um StudiVZ? Schnee von gestern. Auch Facebook wird über kurz oder lang nicht nur seine Dominanz sondern vielleicht überhaupt seine Bedeutung verlieren. Den Analysten von Axios zufolge ist Facebook bei amerikanischen Teenagern in der Beliebtheit von 15% im Frühjahr 2016 auf nur noch 9% im Herbst 2017 abgestürzt. Bemerkenswert rasant. Das sagt noch nicht viel über den deutschen Markt aus. Es hat aber was von einem Wetterleuchten am Horizont.

Grafik bevorzugte Soziale Netzwerke US-Teens 2016-2017

Was das für Ihr Social Media Business bedeutet

Werden Sie kritischer, hinterfragen Sie Zahlen. Vor allem: Delegieren Sie nicht Ihre Verantwortung zusammen mit Ihrem Budget an Algorithmen, Tools oder Social Media Berater. Machen Sie sich selbst ein Bild, in welchem Umfeld Ihre Botschaften bei Facebook erscheinen. Versetzen Sie sich in Ihre Zielgruppe und nutzen Sie Facebook in deren Art und Weise. Facebook kann für Sie noch ein Kommunikationskanal sein. Aber denken Sie unbedingt schon mal über Alternativen nach.

Quellen und weiterführende Links

Facebook: Schluss mit dem Zahlenfetisch. Achten Sie lieber auf Qualität. Klick um zu Tweeten

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  1. Alle Angaben lt. Branchendienst alexa.com
Bilder mit freundlicher Genehmigung von Marco D'Emilia und Piper Jaffray, Axios

1 Kommentar zu “Wenn Sie nicht auf Pornhub werben, warum werben Sie dann auf Facebook?

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